10. September 2006

Spanische Fiesta

Das Wochenende ist richtig aufregend. Ich erlebe Spanien quasi von seiner natürlichsten Seite. Im Heimatdorf meiner Mitbewohnerin Aurora, Sotillo del Rincón, findet ein großes Fest statt, wie sie hier in Spanien eigentlich alltäglich sind. Jedes Dorf hat zwei Heilige, also wird zweimal im Jahr ein riesiges Fest ausgerichtet – aber nicht nur an einem Abend, sondern von Donnerstag bis Sonntag. Außer diesen Festlichkeiten ist dann in dem Dorf nicht viel los. Wir sind also am Samstag nach Sotillo del Rincón gefahren, ca. 130 Kilometer südöstlich von Burgos. Dort war die Party schon voll im Gange als wir angekommen sind, und das um 2 Uhr nachmittags. Das ganze Dorf ist anwesend, egal ob Kleinkind oder Rentner. Jeder trinkt und tanzt und ist total ausgelassen. Die Spanier sind ja generell sehr temperamentvoll, aber mit sowas hab ich nicht gerechnet. Aurora kennt natürlich das ganze Dorf, und es dauert auch eine Zeit, bis sie mir alle vorgestellt hat. Die nehmen mich auch gleich ganz herzlich auf, von Deutschen haben die Spanier ja sowieso schon mal eine gute Meinung. Unzählige Leute sind Verwandte von Aurora, und mit denen ziehen wir dann am Nachmittag (hier in Spanien Mittagessen) zum Haus von Auroras Eltern. Dort wird dann einige Stunden lang gegessen ohne Ende und noch mehr getrunken (es gibt typische Gerichte aus der Region, ich muss anstandshalber und natürlich auch aus Neugier den Eintopf aus Bohnen, Schweineohren, Zunge und Schwanz probieren; außerdem gibt es eingelegtes Kalbsfleisch, einen Eintopf mit Stierfleisch, Muscheln, Chorizo und eingelegtes Gemüse – eigentlich alles richtig lecker bis auf die Ohren, Zunge und den Schwanz!), und schon geht es wieder zurück ins einzige Wirtshaus im Dorf, wo die Band schon wieder spielt. Das Dorf und die ganze Gegend ist wirklich schön, überall Hügel, die mit Pinien und anderen Bäumen bewaldet sind, ein kleiner Fluss, der das Dorf in „arriba“ (oben) und „abajo“ (unten) teilt, und die ganzen kleinen Häuschen mit niedlichen Gärten und wirklich liebevoll gepflegt. Die Leute sind sehr aufgeschlossen und herzlich, im Dorf stehen generell alle Türen den ganzen Tag offen. Das Dorf ist nur im Sommer wirklich bewohnt, im Winter wohnen fast alle der ca. 1.000 Einwohner im nahegelegenen Soria, da es in Sotilla wirklich kalt ist und das Dorf dann wie ausgestorben ist.


Wir tanzen und trinken gemütlich weiter. Hier ist es üblich, dass eine Person gleich immer für die ganze Runde bestellt, plötzlich hat man wieder ein neues Bier in der Hand. Es ist überhaupt wirklich faszinierend, wieviel die Spanier trinken! Ich glaub, die trinken ernsthaft mehr Bier als wir in Bayern! Und das zweite Laster ist das Rauchen. Die Leute, die ich sehe und kennenlerne und nicht rauchen, kann ich an einer Hand abzählen. Aber das tut ja der Stimmung keinen Abbruch, alle tanzen und feiern bis früh am Morgen, einige gehen mal für ein paar Stunden kurz schlafen und tauchen dann plötzlich wieder auf.



Am nächsten Morgen bzw. Mittag nach dem Aufstehen und einem kleinen Frühstück gehen wir durchs Dorf, wo alle schon wieder in irgendeinem Garten oder auf einer Bank sitzen. Kurze Zeit später sind wieder alle im Wirtshaus, die Älteren kommen von der Kirche, die gleich daneben ist und wo am Sonntag die Prozession für den Dorfheiligen stattfindet (hier läuten sie die Kirchenglocken noch manuell!). Die meisten sind noch etwas angeschlagen und trinken Wasser oder Cola, doch dann gibt es die wirklich hartgesottenen, die schon wieder ein Bierchen nach dem anderen trinken. Der Wirt und einige Männer vom Dorf kochen bei offenem Feuer in einem riesigen Topf für das halbe Dorf irgendeinen Eintopf. Gegen 2 oder 3 Uhr verschwinden dann viele nach Hause zum Mittagessen. Bei uns gibt es Fischsuppe, eingelegte Sardellen, einen Eintopf mit Stierfleisch (von einem Stier, der einem Stierkampf zum Opfer fiel) und Melone. Sehr lecker.


Kurz danach machen wir uns wieder auf dem Weg zurück nach Burgos, aber nicht ohne dass uns die Eltern von Aurora noch leckere Chorizo und Gemüse einpacken. Auf dem Weg zurück fahren wir bei der alten Arbeitsstätte von Aurora vorbei, einem sehr gemütlichen Campingplatz im Wald, wo sie an der Bar gearbeitet hat. Außerdem steht dort ein Häuschen mitten zwischen den Bäumen, wo ihr Ex-Freund wohnt. Dieses Haus ist richtig klasse – total abgelegen und versteckt, wie man sich ein Hexenhäuschen vorstellt (aber mit Kühlschrank, Fernseher und Badewanne)!


Müde kommen wir dann nach einem fantastischen und erlebnisreichen Wochenende wieder in Burgos an ... und es wird bestimmt nicht das letzte Fest gewesen sein. Die Dorfbewohner sagen alle, ich soll mit Aurora wiederkommen. Bestimmt!

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