7. September 2006

Burgos

Nach hügeligem Gelände, vorbei an mehreren kleinen Städten und Dörfern, erreiche ich nach fast 4.000 Kilometern Fahrt schließlich Burgos – das Ziel der Reise und Aufenthaltsort für das nächste halbe Jahr. Von der Straße aus sieht man über die Stadt, die ca. 170.000 Einwohner hat und somit relativ überschaubar ist. In Spanien ist sie sehr bekannt, weil Nationalheld El Cid hier geboren wurde. Außerdem liegt die Stadt am Camino de Santiago, dem ca. 800 Kilometer langen Weg, der durch ganz Nordspanien bis nach Santiago de Compostella führt, und den viele Pilger zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Auto nehmen (dementsprechend viele Pilger, bepackt mit riesigen Rucksäcken, sieht man hier).


Als ich am Plaza Mayor aus der Tiefgarage komme, fühle ich mich gleich ziemlich wohl. Etwa 30 Grad, Sonnenschein, und ein wunderbarer weiter Platz mit tollen Häusern. Nur wenige Meter weiter die Kathedrale, wirklich ein Prachtbau, und die drittgrößte in Spanien; gleich dahinter geht es hinauf zu den Ruinen der Burg, von der man die gesamte Stadt überblicken kann. Am kleinen Fluss Arlanzón liegt eine wunderbare Promenade. Die vielen kleinen Geschäfte in den Gassen, die größtenteils Fußgängerzone sind, laden zum Bummeln ein, die Cafés und Bars werde ich in den nächsten Monaten bestimmt zur Genüge unter die Lupe nehmen können. Nach einem kurzen Rundgang bin ich ziemlich erleichtert, denn ich hatte ja keine Vorstellung, was mich hier erwartet. Aber ich kann sagen, dass die Stadt sehr zum Wohnen einlädt, sehr freundlich ist und ich mich hier äußerlich schon mal sehr wohlfühle. Der Rest hängt dann von anderen Faktoren ab ...

Jetzt mache ich mich auf die Suche nach der Pension, die der Reiseführer anpreist. Ich werde nicht enttäuscht, sie liegt direkt in der Innenstadt, ist wirklich günstig, und auch sehr sauber. Endlich mein eigenes Zimmer, ohne irgendwelche Zimmernachbarn. Trotzdem ist es immer noch keine feste Bleibe.


Nachdem ich mich mit einer Karte der Stadt und einigen Informationen vom Tourismusbüro ausgestattet habe, muss eine Karte fürs Handy her – denn ohne lässt sich schwer eine Wohnung finden. Der nächste Weg führt an die Uni. Sie befindet sich etwas außerhalb vom Zentrum und ich bin wirklich überrascht – neue Gebäude und sehr überschaubar. Doch schon bald erfahre ich, dass die Uni ca. 10.000 Studenten hat. So ziemlich jede Fakultät hat ihr eigenes Gebäude, und die sind alle ein bisschen verstreut.


Unglücklicherweise bin ich doch etwas früh dran Anfang September, die meisten Infos für die Austauschstudenten sind noch nicht zusammengestellt, also auch nicht eine aktuelle Liste mit Wohnungen. Auch die meisten Mitarbeiter der Uni sind noch im Urlaub ... also mache ich mich mehr oder weniger auf eigene Faust auf die Suche und rufe einige Nummern an, die an verschiedenen Schwarzen Brettern angeschlagen sind. Leider sind die meisten Wohnungen davon schon weg. Ich bin außerdem noch etwas unschlüssig, ob ich eine Wohnung in der Nähe der Uni oder im Zentrum nehmen soll – hat beides Vor- und Nachteile, auf jeden Fall soll es eine WG mit SpanierInnen sein.


Da sich im Bereich der Uni außer ein paar neuen Wohngebieten auf den ersten Blick nicht viel Aufregendes befindet, entscheide ich mich schließlich für das Zentrum, die Preise variieren kaum nach Wohngebiet, eher nach Ausstattung der Wohnung. Die erste Wohnung, die ich besichtige, liegt ca. 10 Minuten zu Fuß von der Innenstadt im engeren Sinn in einer sehr ruhigen Gegend: keine Hauptverkehrsstraßen, wo es tagsüber laut ist, keine Kneipengegend wo es nachts laut ist, und in einem neu renovierten Haus. Sie ist im fünften Stock mit Blick über die Stadt und auf die Burg und Kathedrale, hat außer den drei Schlafzimmern zwei Bäder, eine Küche und ein geräumiges Wohnzimmer. Bewohner sind zwei sehr nette Spanierinnen, die Miete passt auch. Hört und schaut sich alles ziemlich perfekt an. Ich sage noch nicht zu, überlege noch ein paar Tage. Blöderweise ist an der Uni auch nichts zu bekommen am Wochenende und die Nummern, die ich habe, erreiche ich entweder nicht oder die Wohnungen sind schon weg – schließlich sage ich am Sonntag zu und ziehe auch gleich ein. Wie es der Zufall so will, kann ich vor der Haustür kostenlos parken ... Endlich wirklich am Ziel!


Also erstmal auspacken – und Wäsche waschen! Das Zimmer sieht noch ziemlich unbewohnt aus, also kaufe ich in den nächsten Tagen noch einige Dekosachen, damit ich mich dann auch aufhalten kann hier – und fleißig spanisch lernen kann. :-)


Meine Mitbewohnerinnen arbeiten beide und sind ca. 30 Jahre alt. Die eine, Cristina, ist Anwältin, sie spricht auch englisch und italienisch, ist aber meistens nicht in der Wohnung, da sie normalerweise bei ihrem Freund wohnt. Die andere, Aurora, arbeitet bei einer Telefongesellschaft und kann nur spanisch. Sehr gut, dann muss ich mich also richtig reinhängen. Klar, unsere ersten Gespräche verlaufen auf eher niedrigem Niveau, es ist ziemlich schwierig auszudrücken, was man denkt und sagen will. Aber das wird schon werden. Sie hilft mir auch gleich, einen Internetanschluss zu organisieren.


Gleich um die Ecke befindet sich ein großer Supermarkt, in dem man wirklich alles bekommt, was man zum Leben braucht. Es gibt auch viele deutsche Marken hier, mehr als ich erwartet hab. Ein paar Straßen weiter ist gleich ein Lidl, der wirklich genauso aussieht, wie in Deutschland, es gibt auch viele Marken mit deutscher Aufschrift! Außerdem hab ich auch schon einen Spar entdeckt. Aber viel interessanter sind die kleinen spanischen Läden, die oft nur wie ein etwas größerer Gang aussehen und in die nur ein paar Leute reinpassen. Ungefähr in jeder noch so kleinen Straße ist ein Obst- und Gemüseladen und irgendein Schreibwarenladen. An vielen Ecken dann die Tabakgeschäfte, und an den größeren Straßenkreuzungen Zeitschriftenstände. Das kurioseste Geschäft, das ich bis jetzte gesehen habe, ist eine Eiergeschäft. Ja, richtig gelesen, ein Geschäft, in dem es stapelweise Eier zu kaufen gibt – und zwar nur Eier!


Ein bisschen komisch ist auch, dass es bei Hosen hier generell nur eine Einheitslänge gibt – und die ist natürlich für mich etwas zu lang. Also was machen? Gut, Jeans kann man raufkrempeln ... aber Stoffhosen? Hier ist es für viele ganz normal, nach dem Einkaufen als erstes zu einer Art Näherei zu gehen und sich die Hosen kürzen zu lassen!


In den nächsten Tage gehe ich viel durch die Stadt und schau mir die Straßen, Läden und Leute an. Ansonsten hab ich im Moment nicht viel zu tun, da mein Spanischkurs erst Mitte September anfängt und ich doch früher als geplant angekommen bin. Erst denke ich darüber nach, noch an die Küste im Norden zu fahren, doch dann bin ich erstmal froh, nicht viel zu tun zu haben und nicht ständig auf der Reise zu sein. Für Ausflüge kommen noch genügend Wochenenden ... ich genieße also erstmal meine vorübergehend neue Heimat und das schöne Wetter. Wenn ich meiner Mitbewohnerin glaube, ist es nämlich nicht normal, dass es um diese Jahreszeit noch so warm und schön ist. Es könnte also jederzeit Herbst werden, was hier in Nordspanien ganz normal ist, genauso wie Winter ... hier herrscht Kontinentalklima, und es ist eben nicht das ganze Jahr heiß.


Das spanische Fernsehprogramm hab ich auch schon getestet – es kommt mindestens genauso viel Unsinn wie in Deutschland. Ich versteh natürlich nicht wirklich alles, doch das wird schon werden. Bei den Serien und Filmen gibt es meistens Untertitel, das erleichtert es um einiges. Außerdem haben wir CNN, da kann ich zumindest mal die Nachrichten auf englisch schauen. Dann gibt es auch Eurosport, mal auf englisch, mal auf deutsch, und VivaPlus auch. Und der Hammer überhaupt: in Spanien haben sie ernsthaft den schlechtesten deutschen Fernsehsender überhaupt: 9Live!! Naja, wenn sie sonst nix zu tun haben ... ;-)

Keine Kommentare: